Mit seinen 27 Jahren hat Fouad Zara in seinem kurzen Leben schon viel erlebt – und erreicht. Aufgewachsen in Mossul, eine Stadt circa 350 km nördlich der irakischen Hauptstadt Bagdad, ist er im Krisengebiet inmitten von Gewalt und Zerstörung geboren worden. „Ich bin im Krieg aufgewachsen, habe dort nur Zerstörung gesehen. Es ging dort einfach nicht menschlich zu. Es war sehr gefährlich, dort zu leben“, gibt er zu.
Flucht aus dem Irak nach Deutschland
Er machte das Beste daraus. Erst schloss er sein Abitur ab, begann dann ein Studium der Medizintechnik und versuchte es später auch noch als Lehramt-Anwärter für das Fach Englisch. „Leider dauerte mein Studium im Irak nicht sehr lange. Wegen meines Glaubens und den kriegerischen Auseinandersetzungen musste ich raus aus Mossul. Erst wollte ich mich woanders im Land bewerben, doch ohne Erfolg. Dann versuchte ich es mit Englisch auf Lehramt, was aber auch nicht lange andauerte, weil mir klar wurde: Es ist an der Zeit, aus dem Irak zu fliehen.“




Sein Ziel: Deutschland. Im April 2015 kam er zunächst in einem Flüchtlingscamp im niedersächsischen Friedland bei Göttingen unter, einem der ältesten Lager für Asylsuchende in Deutschland. Hier werden Geflüchtete aus Krisengebieten in aller Welt aufgenommen und auf Standorte in ganz Deutschland verteilt. Nach kurzer Wartezeit ging es für ihn weiter nach Baddeckenstedt. Eine kleine Samtgemeinde im Landkreis Wolfenbüttel, wo er bis heute lebt. „Ich fühle mich sehr wohl. Ich kann viel machen, mich frei bewegen und habe schon einige Freunde gewonnen. Mittlerweile habe ich auch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten.“ Und wie kam er bei seiner Ankunft mit der deutschen Sprache zurecht? „Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit der ganzen Bürokratie und der Sprache. Weil: Im Irak konnte ich noch kein Wort Deutsch. Aber als ich hierherkam, habe ich sofort angefangen, von zu Hause aus zu lernen. Dazu schaute ich mir einige Youtube-Videos an und besuchte Kurse wie an der HAWK-Fachhochschule in Hildesheim.“ Heute spricht Fouad Zara Deutsch auf gutem C1-Niveau.
Berufsausbildung als Mechatroniker bei MAN Truck & Bus, Werk Salzgitter
Ein Studium konnte er in Deutschland dennoch nicht aufnehmen. Der Grund: Sein Abitur aus dem Irak ist hier nicht anerkannt. Dafür bot sich ihm ca. 20 Kilometer entfernt von Baddeckenstedt eine andere Möglichkeit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Bei der Volkswagen Konzernmarke MAN in Salzgitter. „Ich wusste anfangs gar nicht, was oder wo MAN ist. Aber als ich im Herbst 2017 von der Möglichkeit hörte, in dem Unternehmen ein einjähriges Praktikum beziehungsweise eine sogenannte Einstiegsqualifizierung für eine Ausbildung zum Mechatroniker zu absolvieren, habe ich mich sofort gemeldet. Das hat mir so gut gefallen, dass ich hier auch eine Ausbildung machen wollte, und das hat zum 1. September 2018 geklappt.“
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MAN Truck & Bus AG
Die Volkswagen Marke MAN Truck & Bus AG ist fokussiert auf Aktivitäten in den Bereichen Transport und Energie und bietet Lkw, Busse, Transporter, Dieselmotoren, Turbomaschinen sowie Spezialgetriebe an. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen in München. In Salzgitter arbeiten auf einer Werksfläche von 715.000 Quadratmeter und einer Logistikfläche von 436.000 Quadratmeter 2758 Mitarbeiter (Stand: 2016). Dabei ist das Werk Salzgitter Exklusivlieferant für nicht-angetriebene Achsen im Produktionsverbund der MAN Truck & Bus AG. Die Produktpalette besteht aus Vorderachsen, Vorlauf- und Nachlaufachsen, Einzelradaufhängungen und Hydrodrive-Achsen (angetrieben) mit Achslasten von drei bis neun Tonnen.
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MAN Flüchtlingshilfe
MAN engagiert sich gemeinsam mit verschiedenen Hilfsorganisationen schon seit längerem für die Flüchtlingshilfe in Deutschland. Die ausgewählten Projekte sollen die größte Not lindern, aber auch langfristige Perspektiven für Flüchtlinge schaffen und so nachhaltig helfen. Das Unternehmen und seine Mitarbeiter helfen bei der Unterstützung der Flüchtlinge im Alltag – etwa mit Sprach- und Schulvorbereitungskursen, umfassenden Bildungs- und Freizeitangeboten sowie die Bereitstellung von Fahrzeugen. An den MAN Standorten in Deutschland sammeln Mitarbeiter außerdem Spenden für Hilfsorganisationen.
Doch woher kommt bei jemanden, der zuvor Medizintechnik und Englisch auf Lehramt studiert hat, die Begeisterung für einen Handwerksberuf wie den des Mechatronikers? „Mich interessiert am Beruf des Mechatronikers, dass hier drei Tätigkeiten zusammengebracht werden. Die des Informatikers, Mechanikers und Elektronikers. Wir können uns also auf ganz verschiedenen Gebieten weiterentwickeln und lernen dazu noch alle Fahrzeuge und Maschinen kennen, die auf den Markt kommen.“
Als Auszubildender wird Fouad Zara dabei kaum mehr als Geflüchteter wahrgenommen. Ob er nun drei Tage bei MAN die Grundlagen vom Schweißen, Sägen, Feilen, Bohren lernt. Oder zwei Tage in der Woche auf der Berufsschule den Physik-, Elektrotechnik- oder Mathematikunterricht besucht. Auch das macht ihn stolz: „Ich habe hier keinen Mentor und auch keinen Extra-Sprachkurs belegt. Wie die anderen fange ich hier meistens um 6:45 Uhr an und beende meine Schicht gegen 14:45 Uhr. Und wenn es dann doch Dinge gibt, die ich nicht verstehe, erklären mir die Meister die Sachverhalte mit viel Geduld. Wir arbeiten hier alle zusammen in einem Team, das gefällt mir.“
Bau eines Lkw-Modells als Lerninhalt
Seit dem Beginn seiner dreieinhalbjährigen Ausbildung hat Fouad Zara so schon einige Dinge zusammenbauen können – bisher vor allem anhand von Zeichnungen, die die Lehrlinge dafür von ihren Meistern bekamen. Derzeit arbeitet er, wie alle anderen Auszubildenden seines Jahrgangs auch, an einem ganz besonderen Projekt. Dem Bau eines eigenen Lkw – in Miniaturgröße. „So lernen wir, wie man auch einen richtigen Lkw zusammenbaut und wie die einzelnen Bauteile heißen, die wichtig für die Fertigung sind. Am Ende werden diese von unseren Vorgesetzten bewertet, und wir dürfen unsere selbstgebauten Lkw-Modelle mit nach Hause nehmen. Das motiviert noch einmal extra.“


Aber auch sonst fühlt sich Fouad Zara bei MAN pudelwohl. „Mein schönstes Erlebnis bisher war der gemeinsame Ausflug mit unserem Ausbilder Hans-Werner Ruhkopf nach Braunlage. Tagsüber hielten wir dort Präsentationen und lernten die Unternehmensgeschichte besser kennen. Abends verbrachten wir nette Abende in Bars oder gingen in die Eishalle Schlittschuhlaufen. Das hat sehr viel Spaß gemacht.“
Apropos Schlittschuhlaufen: Wenn er nicht gerade ins Fitnessstudio geht oder Volleyball und Fußball spielt – seine Lieblingsmannschaft ist der FC Barcelona – wagt er sich auch in Salzgitter gerne hin und wieder auf das Eis. Aber an eine Sache muss sich Fouad Zara hier in Deutschland eindeutig noch gewöhnen. „So eine Kälte habe ich wirklich noch nie erlebt. Im Irak war es allerdings dagegen auch immer viel zu warm.“
Der Traum vom VW Golf
Und wie sieht es bei ihm mit Zukunftsplänen aus? Da gibt sich Fouad Zara ganz bodenständig. „Ich will mich jetzt erst einmal auf meine Ausbildung konzentrieren. Ob ich dann noch versuche, einen Schein als Meister zu machen oder noch einmal ein Studium aufnehme, werde ich sehen. Erst einmal bin ich glücklich, dass ich einen guten Ausbildungsplatz bei einem tollen Unternehmen gefunden habe und wünsche mir, dass alles erstmal so bleibt wie derzeit.“
Einen Traum hat Fouad Zara dann aber doch noch: „Ich würde mir gerne einmal einen VW Golf kaufen. Der sieht nicht nur sehr gut aus, sondern ist auch klein, kompakt und sportlich. Das mag ich.“