Volkswagen sponsert jetzt die deutschen Fußball-Nationalteams: Über das Thema Sponsoring sprachen wir mit dem Experten Dr. Stefan Walzel.
Sponsoring hat auch 2018 weiter an Bedeutung gewonnen. Längst ist es fester Bestandteil in den Kommunikationsbudgets vieler Unternehmen. Wesentlicher Treiber ist dabei der Sport, daneben gibt es Kultur-, Medien- und Public-Sponsoring. Herr Walzel, was verspricht sich ein Unternehmen vom Sponsoring? Und speziell vom Sport-Sponsoring?
Dr. Stefan Walzel: Heutzutage sind Konsumenten immer schwieriger zu erreichen. Es geht um das rare Gut Aufmerksamkeit. Also konkret: Wie lenke ich die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf meine Produkte. Im Umfeld des Sports erleben wir alle positive Aufmerksamkeit. Im besten Fall spielt mein Lieblingsverein. Aber selbst wenn nicht, erleben wir alle Spannung, Schnelligkeit, Spaß, selbst mal Komik, im Regelfall auch Fairness. Dieses hochemotionale, positiv besetzte Umfeld wollen sich Sponsoren natürlich zunutze machen. Hier wollen sie ihre Kunden abholen – und möglichst viele Neukunden für ihre Produkte begeistern.

Wonach entscheidet ein Unternehmen, wen es sponsert?
Es gibt zwei Ansätze: Erstens das rationale Management. Was sind unsere Unternehmensziele? Wie können wir die erreichen? Wofür interessiert sich unsere Zielgruppe? Und natürlich wählen die Unternehmen auch danach aus, welche Budgets sie überhaupt zur Verfügung haben bzw. bereitstellen wollen. Dann wird intern bewertet: Welche Sportart macht für unsere Ziele und Zielgruppen Sinn? Sponsern wir einen Einzelathleten, ein Team, einen Verband, ein Event oder gleich eine ganze Liga? Einen Einzelnen sponsern, das birgt natürlich immer ein hohes Risiko: Die Leistungen könnten sich verschlechtern, Sympathieträger durch unbedachte Äußerungen in Misskredit geraten – denken Sie nur an die vielen Fallstricke der sozialen Medien. Sponser ich eine ganze Liga, gebe ich vielen Klubs Geld, fehlt die Fokussierung. Sponser ich ein Nationalteam, nehme ich bestenfalls das ganze Land mit.

Persönliche Vorlieben von Entscheidern spielen überhaupt keine Rolle mehr?
Doch, das ist der zweite, der emotionale Ansatz. Präferenzen der Entscheidungsträger, geografisch oder sportartbezogen, etwa für den Golfsport, gibt es natürlich auch. Aber zunehmend weniger. Es geht vor allem um knallhartes, wirtschaftliches Abwägen, umso höher die Investitionen ins Sportsponsoring sind.
Über welche Zeiträume wird gesponsert?
Sports-Sponsoring ist ein eher mittel- bis langfristiges Kommunikationsmittel. Ein Jahr macht keinen Sinn. Empfehlungen reichen über drei Jahre, besser länger.

Warum?
Zunächst muss der Fan realisieren, dass es überhaupt einen neuen Sponsor gibt. Das dauert seine Zeit. Erst danach beginnen sich Überzeugungen zu wandeln. Lassen Sie uns in der Automobilbranche bleiben: Wer zehn Jahre oder länger Fan einer anderen Marke ist und diese fährt, muss erst von Volkswagen überzeugt werden. In der Wissenschaft sprechen wir von einer „Wirkungskette“. Sie glauben gar nicht, wie groß menschliches Beharrungsvermögen häufig ist. Das heißt, ein Sponsor braucht Zeit und Geduld, um seine Ziele mit Sportsponsoring zu erreichen.
Wie wird der Erfolg gemessen? Wie Ziele kontrolliert?
Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze: Der Sponsor macht eine Medienanalyse. Um im Beispiel zu bleiben: Was müsste ich als Volkswagen Konzern bezahlen, um über die Medien die gleiche Präsenz meiner Marke zu bekommen wie beim Sponsoring. Der sogenannte Werbeäquivalenzwert ist heutzutage technisch sehr gut messbar. Zweitens kann ich die Konsumenten befragen: Bin ich als Unternehmen bekannter geworden? Habe ich eine gewisse Präferenz für mein Unternehmen erreicht?
Was sind konkret die Hauptbestandteile von Sponsoring-Verträgen?
Zunächst werden natürlich Vertragsdauer und Finanzrahmen – auch, ob jährliche oder eine Gesamtsumme fließen – vereinbart. Dann wird abgesprochen, ob es neben Geld- noch zusätzliche Sach- oder Beratungsleistungen gibt. Dann wird genau abgestimmt, welche Rechte und Pflichten beide Vertragspartner haben: Wie groß darf das Logo sein? Wie viel Meter Bandenwerbung gibt es dafür? Wie viele Eintrittskarten werden zur Verfügung gestellt? Schließlich geht es um solche Dinge wie: Wie oft müssen die gesponserten Spieler oder das gesamte Team für Messen oder andere Veranstaltungen zur Verfügung stehen? Wo darf oder muss das Logo verwendet werden, auch in welchen geografischen Grenzen? Und es geht es auch schon um Kündigungsrechte.
Und warum werden die Regelwerke immer umfangreicher?
Weil die verhandelten Summen immer höher werden. Weil damit die Ansprüche auf beiden Seiten enorm gestiegen sind. Weil Konkurrenten als Trittbrettfahrer auftreten könnten. Heutzutage wird jedes noch so kleine Detail vertraglich geregelt. Da kommen schnell auch mal hundert Seiten zusammen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Opel sponsert Dortmund. Marco Reus kann und muss im eigenen Team natürlich mit dem entsprechenden Logo auftreten. Aber im Nationaltrikot darf er das dann nicht mehr. Da ist schließlich Volkswagen Mobilitätspartner.
Es fällt ohnehin auf, dass beim Fußball immer nur das Logo eines Sponsors groß auf dem Trikot zu sehen ist. Bei der Formel 1 gleichen die Fahrer wandelnden Litfaßsäulen …
Und das treibt die Preise im Fußball enorm. Exklusiv auf der Brust zu sein, ist ein teures Alleinstellungsmerkmal.
Wonach richten sich die Höhen von Sponsoringbudgets?
Im konkreten Fall hat der DFB gesagt, wir machen eine Ausschreibung. Was gibt der Markt her? Der DFB ist Monopolanbieter des Nationalteams und kann das machen. Volkswagen entscheidet wie jeder andere Bewerber auch: Was sind wir bereit, dafür zu bezahlen? Wenn ich nur einen Bewerber fürs Sponsoring habe, sind natürlich längst nicht so hohe Summen verhandelbar. Zumal wir davon ausgehen, dass neben der eigentlichen Sponsorsumme noch Geld für die Produktion von Bandenwerbung, den Dreh von Werbespots und Werbeplatzierung hinzukommen. Wir nennen das die sogenannten Aktivierungskosten. Mit dem Sponsoringvertrag erwerbe ich die Rechte, mit dem Aktivierungsbudget setze ich sie um und machen den Sponsor für den Zuschauer sichtbar.
Fußball bleibt Hauptsportart im Sponsoring, was ist sonst noch beliebt?
International ist die Formel 1 ein großer Player. In Deutschland werden nach dem unangefochtenen Fußball auch im Basketball und im Eishockey höhere Summen investiert, zunehmend auch wieder im Handball. Eine große Entwicklung im Sponsoring hat in den vergangenen Jahren auch der Individualsport genommen, etwa Firmenläufe oder Triathlon. Und natürlich wird weiter in großem Umfang im Tennis, im Golf, in der Leichtathletik und im Biathlon gesponsert.

Kritiker sagen: Immer nur Fußball! – Gerechtfertigt?
Persönlich würde auch ich mir eine größere Sportvielfalt wünschen. Die Inhalte und Bilder der Sportschau und ZDF Sportreportage sind häufig sehr identisch und durch Fußball dominiert, auch unter der Woche gibt es lange Fußballübertragungen. Aber im Land findet noch ganz viel anderer, sehr sehenswerter Sport statt.
Also haben einmal mehr „die Medien“ an allem Schuld?
Ganz bestimmt nicht. Das greift mir viel zu kurz. Offensichtlich ist es so, dass der Fußball vieles richtig gemacht hat in den vergangenen Jahren. Dort wurde kontinuierlich am Produkt gearbeitet. Das haben andere Sportarten so nicht gemacht. Heutzutage ist Fußball doch längst kein Männergaudi mehr, sondern ein Familienevent. Wir haben in Deutschland nicht deswegen eine Sportmonokultur, weil Fußball so dominant ist, sondern weil andere Sportarten und -verbände zu wenig gemacht haben in der Vergangenheit. Immerhin beginnt jetzt ein Umdenken: Für die öffentlich-rechtlichen Medien wird Fußball schlicht zu teuer, zumal sie die Verwendung ihrer Gelder rechtfertigen müssen. Die Frage ist: Warum entwickeln sie nicht andere Sportarten? Das Beispiel Biathlon hat gezeigt, dass es geht.
Volkswagen unterstützt im Gegensatz zum bisherigen Sponsor Mercedes-Benz nicht nur das Männernationalteam, sondern den Fußball in seiner gesamten Vielfalt: Männer und Frauen, Profis und Amateure, Erwachsene und Kinder, Fans und Ehrenamtliche. Ist das schon ein Stück Imagewechsel? Nach dem Motto, alle sind uns wichtig …?
Auf jeden Fall! Es stärkt den einheitlichen Auftritt. Es zeigt nach außen: Wir meinen es ernst, wollen auch den Frauen- und Nachwuchsfußball fördern. Das sind ja auch gesellschaftliche Themen. Und Nachwuchsförderung ist immer wichtig. Aber es ist auch wirtschaftlich von Vorteil: Es gibt keine – wir nennen es – Verwässerungseffekte durch andere Sponsoren. Egal ob Männer, Frauen oder der Nachwuchs auflaufen: Volkswagen ist für den Zuschauer präsent.
Wann wird man die ersten Ergebnisse des Sponsorings sehen, welche könnten das sein?
Das braucht noch etwas Zeit. Das Nationalteam hat zwar Spiele, aber das ganz große Event fehlt noch. Das braucht es aber, erst dann kommt die Euphorie. Die Europameisterschaft 2020, die in zwölf Ländern stattfindet, ist das nächste große Event. Danach könnte und sollte man mal den ersten Erfolg messen und ein Zwischenfazit ziehen. Ich gehe davon aus, dass Volkswagen vor dem Einstieg eine sogenannte Nullmessung gemacht, also das Ausgangsniveau bestimmt hat.
Was antworten Sie eigentlich Kritikern, die sagen, Produkte könnten ganz allgemein günstiger sein, gäbe es kein Sponsoring?
Selbst wenn ich der Günstigste sein will: Werbung gehört in unserer Wirtschaftsordnung einfach dazu. Sonst werde ich nicht wahrgenommen. Beispiele sind Lidl und Aldi, die nicht im Verdacht stehen, hochpreisig unterwegs zu sein, aber dennoch massiv werben. Neben dem Preis und der Produktqualität spielen heute aber auch noch andere Faktoren bei der Kaufentscheidung eine Rolle, unter anderem das Markenimage. Beim Autokauf sowieso: Nirgends wird so viel Geld in die Marketingkommunikation und Emotion investiert wie im Automobilbereich.
Abschließend: Wie entwickelt sich das Sponsoring der Zukunft?
Alles wird sehr viel technischer, digitaler werden. Stichwort virtuelle Werbung: Man beginnt, Bandenwerbung im Stadion bei Übertragungen in einem anderen Land mit anderer Werbung, also zielgruppengerecht, zu überblenden. Das ist erst der Anfang: In der virtuellen Realität der Zukunft wählt sich der Zuschauer seinen eigenen Bildausschnitt. Darin bekommt er auf ihn zugeschnittene, personifizierte Werbung eingeblendet. Und: Wenn er etwas bestellen möchte, kann er das hier sofort tun. Er muss in Zukunft nicht erst auf ein anderes Gerät, etwa Rechner oder Smartphone, wechseln. Die VR-Brille macht’s möglich.
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