Heutzutage funktioniert es butterweich. Man kann es mit dem kleinen Finger tun. Oder mit dem Knie. Manche probieren es sogar mit der Nase.
Klar, wir reden über das Lenkrad. Bei dessen heutigen Annehmlichkeiten kann sich kaum noch einer die Anfänge des „Steuers des Autos“ vorstellen. Vielmehr reden wir alle nur noch über die Zukunft: Künftige Fahrzeuge sollen komplett ohne Lenkrad auskommen. Im autonomen Fahren ist es schlicht nicht mehr vorgesehen.

Kurz zur Geschichte des Lenkrads: Das früher „Volant“ genannte Bauteil gab es bereits im 19. Jahrhundert. 1894 nahm Alfred Vacheron am berühmten „Paris-Rouen-Rennen“ teil. Sein Fahrzeug, ein 1893er „Panhard“, hatte er mit einem Lenkrad ausgestattet. Das Rennen in Frankreich von 1894 ist eine der frühesten bekannten Anwendungen des Lenkens mittels eines Rads.
1898 führte der französische Produzent das Lenkrad für alle seine Modelle ein. Danach folgten weitere Hersteller – das Lenkrad setzte sich im Fahrzeugbau durch. Schon früh montierten die Produzenten eine sogenannte Ballonhupe auf dem Lenkrad. Grund: Der Verkehr wurde zunehmend dichter, andere Pkw-Fahrer, aber auch Fußgänger und Radfahrer, galt es zu warnen.
Erst Holz, dann Metall, heute Kunststoff – aber immer mit Hupe
Befestigt ist das Lenkrad am oberen Ende einer Lenkradsäule. An dieser Säule sind rechts und links mehrere Bedienhebel platziert. Oft ziert das Logo des Fahrzeugherstellers die Nabe beziehungsweise die Mitte des Lenkrads.
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Wie fasst man das Lenkrad richtig an?
Zurück ins Heute: Wie fasst man ein Lenkrad eigentlich korrekt an? Wenn die Hände es greifen, sollen die Arme leicht angewinkelt sein. Die Hände sollen das Lenkrad mittig anfassen (Position etwa „viertel vor drei“). Gelenkt wird mit dem sogenannten Übergreifen der Hände. Das sichert, dass jederzeit eine Hand das Lenkrad hält. Auch bei Kurvenfahrt sollten sich die Hände in der genannten Position befinden. So kann der Fahrer das Fahrzeug jederzeit optimal – auch bei unerwarteten Ausweichmanövern – kontrollieren.
Das Lenken mit einer Hand oder mit dem Finger zwischen den Speichen ist unfallträchtig. Das Lenken mit kleinem Finger, den Knien oder gar der Nase ist sogar grob fahrlässig. Also: Drehen wir richtig am Rad! Der Gesundheit zuliebe.
In der Anfangszeit bestanden die Lenkräder aus einem Metallträger, der mit Holz ummantelt ist. Im Laufe der Zeit wurde das Echtholz durch Kunststoffe mit Bakelit ersetzt. Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil Holz splittert und bei Unfällen Verletzungen verursacht. In den 1950er Jahren wurden mit Leder oder Kunstleder bezogene Lenkräder beliebt. Sie boten eine bessere Griffigkeit.
Die meisten heutigen Lenkräder sind beinahe schon funktional überfrachtet. Nostalgie oder nicht: Die Hupe hat sich bis heute als Zusatzfunktion des Lenkrads erhalten. Hinzu kamen seit den 2000er Jahren viele weitere Bedienelemente. Ob das Autoradio einschließlich Senderwahl und Lautstärkenregelung, der Tempomat, die Knöpfe für Telefonie und den Bordcomputer – alles wird über kleine Tasten am Lenkrad bedient. Solche Lenkräder bezeichnen wir heute als „Multifunktionslenkrad“. Und der Airbag ist auch noch verbaut.




Moderne Fahrzeuge besitzen eine Servolenkung. Sie ermöglicht es dem Fahrer, wie eingangs beschrieben, buchstäblich mit dem kleinen Finger zu lenken. Natürlich sollte das niemand tun! Die Servolenkung dient dem Komfort. Sie überwindet mit weniger Widerstand die Kräfte zwischen Reifen und Boden. Bei großen Kraftfahrzeugen und Baumaschinen ist oft sogar ein Kurbelknauf am Lenkrad angebracht, um einfacher rangieren zu können.
Der Durchmesser des Lenkrades ist abhängig von der Fahrzeuggröße. In Pkw haben Lenkräder einen Durchmesser von etwa 40 Zentimetern. Lkw oder Busse haben wegen der größeren Lenkkräfte Lenkräder von bis zu 80 Zentimetern Durchmesser. Wegen der unterschiedlichen Körpergröße der Fahrer sind hochwertige Lenkräder heute in Höhe und in Längsrichtung verstellbar.
Audi lieferte mit Procon-ten Sicherheit serienmäßig
Lenkräder bergen bei Unfällen ein erhebliches Verletzungsrisiko für den Fahrer – früher mehr als heute. Durch Materialauswahl und Technik wurde im Laufe der Jahrzehnte erfolgreich versucht, dieses Risiko zu minimieren. Ein Beispiel dafür war Procon-ten, eine Entwicklung von Audi. Ein um den Motorblock gelegtes Stahlseil zog bei einem Frontalaufprall das Lenkrad blitzschnell in Richtung Armaturenbrett.
Eine der ersten Maßnahmen, die Lenkräder zu „entschärfen“, war die versenkte beziehungsweise gegenüber dem Lenkradkranz zurückversetzte Nabe. Ein wichtiger Bestandteil ist schließlich der im Lenkrad integrierte Airbag. Eine Sensorik erkennt einen Aufprall des Fahrzeugs. Sie bläst dann in Sekundenbruchteilen einen Luftsack auf. Er bewahrt den Fahrer oft vor schweren Verletzungen.
Das Lenkrad stirbt aus
Und in ein paar Jahren? Gibt es dann überhaupt noch Lenkräder in Fahrzeugen?
Sicher ist: Das autonome Fahren stellt bisherige Gewohnheiten auf den Kopf. Wie einst das Internet, später das Smartphone, die Sprachboxen von Amazon, bald schon die künstliche Intelligenz. Disruption nennen sich solche Prozesse. Sie bezeichnen das Wegbrechen von tradierten Geschäftsmodellen durch flächendeckende Innovationen, die das Zeug haben, sich überall durchzusetzen.
Wer heute einen Neuwagen kauft, findet in der Ausstattungsliste bereits vieles, was aus den Laboren des autonomen Fahrens stammt. Etwa Systeme zur Abstandhaltung, zur Spurhaltung, zum selbsttätigen Bremsen. Fünf Stufen des autonomen Fahrens hat die Automobilbranche definiert, Neuwagen erreichen bereits die Stufen zwei bis drei.
Ziel ist es, dass der Mensch sich eines Tages zu 100 Prozent dem autonom fahrenden Auto anvertrauen kann. Wie komplex diese Aufgabe vor allem im Stadtverkehr ist, zeigen die Tests mit dem autonomen e-Golf¹ in Hamburg. Damit ist aber auch klar: Eines Tages ist das Lenkrad schlichtweg überflüssig.
Zukunftsforscher des Volkswagen Konzerns unterscheiden derzeit genau: Es wird Fahrzeuge mit und ohne Lenkrad geben, so die heutige Prognose. Privat genutzte Fahrzeuge werden mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein Lenkrad haben. Denn die Fahrer wollen weiter Fahrspaß erleben. Größere Autos würden ohne Lenkrad auskommen. Denn es habe natürlich einen großen Reiz, wenn das Auto wie ein guter Chauffeur übernehmen kann. Für komplett autonome Autos sehen die Zukunftsforscher eher das Einsatzgebiet im öffentlichen Nahverkehr, bei Taxis zum Beispiel. Gerade, wenn mehrere Insassen miteinander im Auto fahren, wäre die Frage: Wer hat eigentlich das Sagen? Da überlässt man das Fahren am besten gleich dem Auto.
Die Studie des ID. VIZZION2 zeigt eindeutig, wie der Innenraum der Zukunft aussehen könnte: Es gibt kein Lenkrad mehr. Man sitzt in einer Wohnlandschaft. Die Insassen können auch schlafen oder die Landschaft betrachten. Und wenn man Privatsphäre haben möchte, kann man die Scheiben verdunkeln.
Verbrauchskennzeichnung
1e-Golf: Stromverbrauch, kWh/100 km: kombiniert 14,1 (17 Zoll) - 13,2 (16 Zoll); CO₂-Emission kombiniert, g/km: 0; Effizienzklasse: A+
2Studie/Concept Car
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