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Wo ist das Elektron und wenn ja, wie viele?

Quantencomputer funktionieren gänzlich anders als herkömmliche Rechner. Mit einem Pilotprojekt zur Verkehrsoptimierung in Lissabon demonstriert Volkswagen erstmals den praktischen Nutzen dieser Technologie.

Lissabon, die portugiesische Hauptstadt am Atlantik, steht in dieser Woche wieder im Zentrum der Digitalisierung. Aus der ganzen Welt reisen zehntausende Besucher zum WebSummit an, einer der wichtigsten Tech-Konferenzen der Welt. All diese Besucher bewegen sich während der Konferenz natürlich nicht nur über das Messegelände am Ufer des Tejo, sondern auch durch die ganze Stadt. Das hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu einem ganz analogen Problem geführt: zu Stau. 

Volkswagen wird in diesem Jahr mit Hilfe von Quantencomputern dafür sorgen, dass während des WebSummit der Verkehr in den Straßen von Lissabon reibungsloser fließt. Hierfür wurden neun MAN Busse der städtischen Verkehrsgesellschaft CARRIS mit einem selbst entwickelten System ausgerüstet. Dieses berechnet nahezu in Echtzeit die individuell schnellste Route für jeden der teilnehmenden Busse und gibt den Fahrern über eine App Navigations-Empfehlungen. Die Busse, die zwischen den wichtigsten Punkten in der Stadt mit den höchsten Fahrgastaufkommen pendeln, sollen so Staus frühzeitig umfahren und tausende Menschen schneller ans Ziel bringen. 

(Erfahren Sie mehr über das Pilotprojekt hier)

Das Projekt hat eine wichtige Vorbildfunktion: Es könnte prinzipiell auf jede beliebige Stadt und auf eine beliebige Anzahl von Fahrzeugen übertragen werden. Volkswagen demonstriert damit zudem weltweit erstmals eine praktische Einsatzmöglichkeit von Quantencomputern – einer Technologie, die Experten seit längerem theoretisch diskutieren und erforschen, deren Umsetzung in die Praxis jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. 

Wie funktioniert ein Quantencomputer?

Die Funktionsweise eines Quantencomputers unterscheidet sich grundsätzlich von heute üblichen Rechnern. Der Speicher eines klassischen Computers arbeitet mit Bits, der kleinsten Informationseinheit in der Informatik. Jedes Bit kann entweder den Wert null oder eins annehmen.

Innenansicht eines Quantencomputers der kanadischen Firma D-Wave. Umgeben sind diese Computer von gewaltigen Kühlanlagen. Foto: D-Wave Systems

Quantencomputer sind anders konstruiert. Sie folgen in ihrer Hardware-Architektur den Lehren der Quantenmechanik und rechnen mit Quanten-Bits (kurz: Qubits). Ein Qubit, und hier kommen die quantenphysikalischen Gesetze ins Spiel, kann im Zustand null oder eins sein, dieser Zustand kann aber auch das Ergebnis einer Überlagerung verschiedener Zustandskombinationen sein (die sogenannte Superposition). Das heißt: Ein Qubit kann mehrere Zustände gleichzeitig haben. Dadurch sind darin deutlich mehr Informationen gespeichert als in einem Bit. Und ein Quantencomputer mit sämtlichen Zuständen zur gleichen Zeit in einem Rechenschritt operieren. Werden dann auch noch mehrere Qubits miteinander verkoppelt, steigt die Zahl der möglichen Kombinationen exponentiell und damit auch die Rechenleistung.

Wird es bald nur noch Quantenrechner geben?

Nein. Quantenchips sind Ko-Prozessoren, sie erweitern die existierende Informationstechnologie. Bei Aufgaben, die „klassische“ Computer schon gut lösen können, werden diese nicht durch Quantencomputer ersetzt. Quantencomputer sind jedoch ideal dafür geeignet, hochkomplexe Aufgaben weitaus schneller zu lösen als herkömmliche Rechner oder Aufgaben zu lösen, die herkömmliche Computer gar nicht lösen können. 

In der Praxis haben heutige Computer den Vorteil, dass sie zuverlässig funktionieren und robuste Maschinen sind. Quantencomputer sind technisch außerordentlich sensibel. Jede äußere Einwirkung, mitunter bereits das Magnetfeld der Erde, können dieses System stören. Bei magnetischen Spin-Qubits, der heute hauptsächlich genutzten Qubit-Architektur, kommen Supraleiter zum Einsatz, also Materialien, die keinen elektrischen Widerstand haben. Diese müssen, um zu funktionieren, allerdings auf Tiefsttemperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts heruntergekühlt werden. Entsprechend aufwändig sind diese Apparaturen. 

Die Arbeit mit Quantencomputern verlangt daher Spezialwissen und Methodenkenntnis. Beides baut die Volkswagen Konzern-IT kontinuierlich aus. Im Verkehrsteuerungsprojekt in Lissabon kommen sowohl herkömmliche Computer wie auch Quantencomputer zum Einsatz.

  • Welche Quantencomputing-Systeme gibt es?

    Für Quantencomputer sind viele Anwendungsgebiete denkbar

    Aktuell sind folgende zwei Quantencomputing-Architekturen vorherrschend, die sich für jeweils unterschiedliche Aufgaben eignen: 

    Ein Annealing-System (Annealing-Quantencomputer) ist für die Lösung von Optimierungsproblemen konzipiert. Vereinfacht geht es bei einem Optimierungsproblem um die Frage, wie eine Ressource wie Zeit, Geld oder Energie optimal in einem bestimmten Szenario genutzt werden kann. Ein Annealing-System findet hierbei die „ausreichend beste“ Lösung bzw. das „Energieminimum“. Die Volkswagen Konzern-IT hat erste Forschungsprojekte zur Verkehrssteuerung auf einem Annealing-System des kanadischen Unternehmens D-Wave Systems umgesetzt.

    Ein universeller Quantencomputer (Universal-Gate-Quantencomputer) kann sich für algorithmische Probleme beliebiger Komplexität und Art eignen – kann, weil auch die Algorithmenentwicklung für die praktische Anwendung Gegenstand aktueller Forschung ist. Der Internetkonzern Google arbeitet beispielsweise an dieser Technologie. Spezialisten der Volkswagen Konzern-IT forschen auf einem Quantencomputer von Google anwendungsnah und erproben das Potenzial. Auch universelle Quantencomputer eignen sich für die Verkehrsbeeinflussung.

Wie setzt Volkswagen Quantencomputer in der Praxis ein?

Martin Hofmann, CIO des Volkswagen Konzerns

Martin Hofmann, Volkswagen Group CIO, sagt: „Wir bei Volkswagen wollen unser Expertenwissen über Quantencomputer weiter ausbauen und ein tiefgehendes Verständnis dafür entwickeln, wie sich diese Technologie unternehmerisch sinnvoll einsetzen lässt. Die Optimierung des Verkehrs zählt dazu. Eine intelligente Verkehrsführung, die die Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers nutzt, kann Städte und Pendler sinnvoll unterstützen.“

Quanten-Algorithmen könnten in diesem Bereich für vielfältige Ziele genutzt werden. Die Volkswagen Spezialisten entwickeln sowohl Lösungen für individuelle Verkehrsteilnehmer (einzelne Fahrzeuge) wie auch Steuerungsmöglichkeiten für die kommunale Verkehrsplanung. Denkbar wäre, Fahrzeugen neben den Navigations-Hinweisen zur Fahrzeitverkürzung und Stauvermeidung bei Bedarf auch in Echtzeit berechnete Informationen über verfügbare E-Ladesäulen oder freie Parkflächen zuzusenden. Ebenso denkbar ist die Einbindung übergeordneter Faktoren wie städtische Verkehrsleitsysteme, öffentliche Verkehrsmittel oder Wetterbedingungen. 

Wo sind Quantencomputer ebenfalls hilfreich?

Optimierte Routen durch Lissabon

Volkswagen ist beispielsweise an quantengestützter künstlicher Intelligenz und IT-Sicherheit (Post-Quanten-Kryptographie) interessiert. Denkbar sind auch Szenarien wie der Einsatz von Quantencomputern in der Steuerung einer Flotte künftig selbstfahrender Autos oder bei der Optimierung von Fahrzeug-Konstruktionen.

Relativ konkret sind bereits Projekte zur Simulation chemischer Moleküle und der Interaktionen zwischen ihren Elementarteilchen im Quantencomputer. Herkömmliche Rechner kommen hier schnell an ihre Grenzen, Quantencomputer versprechen dagegen eine Lösung. „Bei einfachen Molekülen können wir das heute bereits“, sagt Florian Neukart, Director Advanced Technologies der Volkswagen Konzern-IT in San Francisco. Das Ergebnis dieser Forschung könnten unter anderem bisher unbekannte Werkstoffe sein, die extrem widerstandsfähig oder besonders leicht sind und sich für den Fahrzeugbau eignen.

Ein anderer Bereich, in dem Quantencomputer Volkswagen zu großen Fortschritten verhelfen könnten, ist die Batterietechnologie. Zu verstehen, was genau auf atomarer Ebene in einer Batterie geschieht, könnte den Weg eröffnen zu leichteren und noch leistungsfähigeren Akkus für Elektroautos. Das wären Erkenntnisse, die zum Beispiel im Volkswagen Center of Excellence für Batterieforschung in Salzgitter direkt in die kürzlich gestartete Produktion von Batteriezellen einfließen würden. Davon hätte dann jeder Fahrer eines E-Autos ganz konkret im Alltag einen Nutzen.

Veröffentlichungen von Volkswagen

  • Patente

    • Florian Neukart, Gabriele Compostella, Christian Seidel, David Von Dollen (2019): System and method for predicting and maximizing traffic flow, US20190164418A1
    • Pending: Florian Neukart, Michael Streif, David John Von Dollen, Tanja Graf, Thomas Schladt, Arne-Christian Voigt, Jonathan Edward Mueller (2019): Method for simulating electronic structure with quantum annealing devices 
    • Pending: Florian Neukart, Dyon Van Vreumingen, David John Von Dollen, Arne-Christian Voigt, Michael Hartmann, Carsten Othmer (2019): Method for finite elements-based design optimization with quantum annealing devices
  • Papers, Artikel

    • Van Vreumingen Dyon, Neukart Florian, David Von Dollen, Voigt Arne-Christian, Hartmann Michael, Othmer Carsten (2019): Quantum-assisted finite-element design optimization, arXiv 
    • Yarkoni Sheir, Leib Martin, Skolik Andrea, Streif Michael, Neukart Florian, Von Dollen David (2019): Volkswagen and quantum computing: an industrial perspective 
    • Gabor Thomas, Christian Seidel, Neukart Florian, Isabella Galter (2019): Assessing Solution Quality of 3SAT on a Quantum Annealing Platform, Springer 
    • Streif Michael, Neukart Florian, Leib Martin (2018): Solving Quantum Chemistry Problems with a D-Wave Quantum Annealer, Springer 
    • Neukart Florian (2018): Selbstfahrer: Wie künstliche Intelligenz das Auto der Zukunft beeinflusst, iX Magazin fuer professionelle Informationstechnik 
    • Neukart Florian, Seidel Christian (2018): A hybrid solution method for the Capacitated Vehicle Routing Problem using a quantum annealer, journal selection ongoing. 
    • Hsu Tin-Jui, Jin Fengping, Seidel Christian, Neukart Florian, de Raedt Hans, Michielsen Kristel (2018): Quantum annealing with anneal path control: application to 2-SAT problems with known energy landscapes, journal selection ongoing, arxiv: 1810.00194 
    • van Vreumingen Dyon, Neukart Florian, Von Dollen David, Bäck Thomas, Deutz André (2018): Quantum-assisted finite elements for design optimization, Frontiers in Physics, currently under review. 
    • Neukart Florian, Von Dollen David, Seidel Christian (2018): Quantum-assisted clustering, accepted in Front. Phys., arXiv:1803.02886 
    • Neukart Florian, Seidel Christian, Compostella Gabriele (2018): Verkehrsflussoptimierung mit einem Quantum Annealer, iX Magazin für professionelle Informationstechnik, 2, 2018 
    • Neukart Florian, Von Dollen David, Seidel Christian, Compostella Gabriele (2018): Quantum-enhanced reinforcement learning for finite-episode games with discrete state spaces, Front. Phys. 5:71. doi: 10.3389/fphy.2017.00071 
    • Goddard Phil, Mniszewski Susan, Neukart Florian, Pakin Scott, Reinhardt Steve (2017): How Will Early Quantum Computing Benefit Computational Methods?, SIAM News, 12, 2017 
    • Neukart Florian,  Compostella Gabriele,  Seidel Christian,  Von Dollen David,  Yarkoni Sheir,  Parney Bob (2017): Traffic flow optimization using a quantum annealer, Frontiers in Information and Communication Technology, ICT 4:29. doi: 10.3389/fict.2017.00029 
    • Neukart Florian, Hofmann Martin, Bäck Thomas (2017): Artificial Intelligence and Data Science in the Automotive Industry, Data Science Blog and arXiv:1709.01989v1 [cs.AI] 

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