„Der Verkehr auf Astypalea soll vollständig elektrisch werden“
Interview mit Konstantinos Fragogiannis und Maik Stephan
Der Volkswagen Konzern und Griechenland wollen die Insel Astypalea in der Ägäis zum Modell für klimafreundliche Mobilität machen. Geplant sind neue Mobilitätsdienste, die Umstellung der Insel-Flotte auf Elektrofahrzeuge und der Umbau der Energieversorgung. Im Interview erklären Konstantinos Fragogiannis, stellvertretender Außenminister Griechenlands, und Maik Stephan, Leiter Geschäftsfeldentwicklung des Volkswagen Konzerns, Einzelheiten und Ziele des Leuchtturm-Projekts.
„Durch unsere Kooperation wollen wir zeigen, wie ein internationales Wirtschaftsunternehmen, eine lokale Gemeinschaft und ein europäischer Staat zum Vorteil der Menschen zusammenarbeiten können.“
Herr Minister, was erwarten Sie von der Zusammenarbeit?
Fragogiannis: Wir wollen Astypalea zum Modell für nachhaltige Mobilität und klimafreundliche Energieversorgung machen. Dazu schließen wir eine langfristige Partnerschaft mit dem Volkswagen Konzern. Durch unsere Kooperation wollen wir zeigen, wie ein internationales Wirtschaftsunternehmen, eine lokale Gemeinschaft und ein europäischer Staat zum Vorteil der Menschen zusammenarbeiten können.
Warum haben Sie Astypalea auswählt?
Fragogiannis: Eine überschaubare Insel bietet zwei wichtige Vorteile. Erstens: Wir können das Energiesystem und die Mobilitätsangebote vollständig umstellen. Zweitens: Wir können gut beobachten, wie das Projekt die Gemeinschaft verändert. Große Inseln wie Kreta oder Rhodos haben wir aus Kostengründen ausgeschlossen. Sehr kleine Inseln mit wenigen hundert Menschen kommen ebenfalls nicht in Frage, weil die Ergebnisse nicht repräsentativ wären. Astypalea mit 1.300 Einwohnern hat die richtige Größe. Das Straßennetz reicht aus, um E-Fahrzeuge und Mobilitätsdienste zu testen. Ein weiteres wichtiges Argument war die Unterstützung in der Bevölkerung.
„Auf Astypalea wollen wir zeigen und erproben, wie vernetzte, klimafreundliche und elektrifizierte Mobilität schon heute funktioniert.“
Was verspricht sich der Volkswagen Konzern?
Stephan:Der Grund für unser Engagement ist so einfach wie fundamental: Volkswagen hat sich für eine strategische Neuausrichtung zu nachhaltiger E-Mobilität entschieden. Das Unternehmen wird vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter. Auf Astypalea wollen wir zeigen und erproben, wie vernetzte, klimafreundliche und elektrifizierte Mobilität schon heute funktioniert. Und wir möchten erfahren, wie die Lösungen ankommen.
Wie verändert das Projekt Astypalea?
Fragogiannis: Wir stellen die Energieerzeugung vollständig um. Heute wird die Insel von vier Dieselgeneratoren versorgt. Diese Generatoren werden wir binnen zwei Jahren abschalten und durch Windkraft und Solarenergie ersetzen. Parallel installieren wir Batterien, die die Energie speichern und erhöhten Bedarf decken. Sicherheitshalber bleiben die Dieselgeneratoren für einige Jahre einsatzbereit, falls die Versorgung mit erneuerbaren Energien einmal nicht reichen sollte. Das ändert aber nichts am Ziel: Astypalea soll sich mit grünem Strom selbst versorgen.
Was bedeutet die Zusammenarbeit für die Mobilität?
Fragogiannis: Der Verkehr auf Astypalea soll vollständig elektrisch werden. Parallel zum Umbau der Energieversorgung werden wir deshalb die Anschaffung von E-Fahrzeugen fördern. Das gilt für Privatleute, den öffentlichen Verkehr und Unternehmer, die beispielsweise Mietwagen, Scooter oder Quads anbieten. Insgesamt wollen wir rund 1.500 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch 1.000 Elektroautos ersetzen. Darüber hinaus werden wir ein Gebiet ausweisen, in dem künftig autonomes Fahren erprobt werden könnte, sofern die technischen und finanziellen Voraussetzungen gegeben sind.
Stephan: Bislang gibt es auf der Insel zwei Buslinien. Die Verbindungen stehen allerdings nur tagsüber und am Wochenende mit Einschränkungen zur Verfügung. Einige Ziele sind überhaupt nicht erreichbar. Wir planen deshalb, die Busse durch neue Mobilitätsdienste zu ersetzen. Darüber hinaus wird es sowohl Elektro-Carsharing als auch Elektro-Scooter- und Bike-Sharing geben.
Wie kann man sich die Mobilitätsdienste vorstellen?
Stephan: Es geht um einen Ridesharing-Dienst, der jederzeit gerufen werden kann und dort hält, wo es die Fahrgäste möchten. Es ist durchaus möglich, dass einige Bewohner von Astypalea in Zukunft kein eigenes Auto mehr brauchen. Somit würden wir aufzeigen, dass man mit weniger Fahrzeugen ein höheres Maß an individueller Mobilität erreichen kann. Und das klimaneutral.
Wie könnten Erfahrungen aus dem Projekt künftige Mobilitätslösungen beeinflussen?
Stephan: Das hängt vom Feedback und vom Nutzerverhalten ab. Eine Besonderheit auf Astypalea ist das Zusammenspiel von sehr unterschiedlichen Kundengruppen. Auf der einen Seite die Einheimischen – auf der anderen Seite Tausende von Touristen, die nur kurze Zeit auf der Insel verbringen. Wir sind gespannt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen beiden Gruppen gibt. Mit den Erkenntnissen werden wir die Mobilitätsangebote weiter verbessern – auf Astypalea und für andere Regionen.
Griechenland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesteckt. Welche Rolle spielt Astypalea im Gesamtkonzept?
Fragogiannis: Griechenland verabschiedet sich bis 2028 von der Kohle. Den größten Teil der Kraftwerke legen wir bereits 2023 still. Stattdessen fördert die Regierung Windräder, Solaranlagen und andere klimafreundliche Technologien. Die Zusammenarbeit mit dem Volkswagen Konzern ist dabei ein Leuchtturm. Astypalea kann ökologisches Vorbild für viele Inseln werden – weltweit.
Die Insel Astypalea
Astypalea liegt rund 350 Kilometer von Athen entfernt in der südlichen Ägäis. Die knapp 100 Quadratkilometer große Insel zählt 1.300 Bewohner – und viele Touristen. Rund 72.000 Gäste jährlich besuchen Astypalea. Zu den Sehenswürdigkeiten der Insel zählt ein venezianisches Kastell, das einst von Piraten zerstört und später neu aufgebaut wurde.