Die Volkswagen Experten Holger Poppe (re.) und Steffen Axer arbeiten daran, Vor- und Nachteile verschiedener Mobilitätslösungen transparent zu machen.
Bunte Punkte sausen über den Bildschirm. Viele sammeln sich in der Mitte - andere streben an die Ränder. Drei Männer schauen zu. Was sie betrachten, ist die Simulation der Verkehrsströme im Raum Hannover. Einige Punkte stehen für herkömmlichen Autoverkehr, andere für die S-Bahn oder Ride-Pooling-Fahrzeuge von MOIA mit mehreren Fahrgästen. Die Computer-Simulation soll Hinweise geben, wie mehr als eine Million Menschen besser zur Schule, zur Arbeit, zum Supermarkt und wieder nach Hause kommen können. Eine Gleichung mit einer Million Variablen. Doch das ist nicht alles. „Die meisten Ballungsräume haben ähnliche Herausforderungen, zum Beispiel starke Pendelverkehre. Was wir in Hannover lernen, können wir auf andere Städte übertragen“, sagt Holger Poppe, Leiter „Nachhaltige Mobilität“ bei Volkswagen.
„Künftige Lösungen müssen den CO₂-Ausstoß langfristig auf Null bringen. Gleichzeitig müssen sie die Luftbelastung, den Flächenbedarf und den Lärm deutlich senken.“
Magisches Dreieck
Die Aufgabe ist komplex. Klimafreundlichkeit ist ein zentraler Faktor – jedoch nicht der einzige. „Künftige Lösungen müssen den CO2-Ausstoß langfristig auf Null bringen. Gleichzeitig müssen sie die Luftbelastung, den Flächenbedarf und den Lärm deutlich senken“, sagt Poppe. Und es geht noch weiter. Wenn Poppe die Herausforderung beschreiben will, zeichnet er ein Dreieck. An einer Spitze steht „Umwelt“. An den anderen „Kunden“ und „Unternehmen“. Der Gedanke: Umweltfreundliche Lösungen haben nur dann Bestand, wenn sie Menschen den Alltag erleichtern und für die Anbieter wirtschaftlich sind. Poppe: „Das umweltfreundlichste Konzept nützt nichts, wenn die Nutzer nicht einsteigen oder die Firmen nicht überleben. Alle drei Dimensionen müssen funktionieren.“
Ein Problem: Zielkonflikte. „Was den Kunden gefällt, kann den Umweltvorteil schmälern – oder umgekehrt“, sagt Steffen Axer, Experte für Mobilitätssysteme. Beispiel: Ride-Pooling. Je mehr Menschen eine Fahrt teilen, desto besser ist die CO2-Bilanz – aber desto länger dauert die Tour, weil die Nutzer an unterschiedlichen Orten ein- und aussteigen. Gemeinsam mit seinen Kollegen lotet Axer aus, welche Lösungen für Kunden und Umwelt akzeptabel sind. „Ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht darin, Transparenz herzustellen und dann gute Kompromisse zu finden“, sagt er.
Nichts geht ohne Daten

Eine wichtige Grundlage: die Daten. Nur wenn das Team den Ist-Zustand kennt, kann es neue, bessere Lösungen finden. Die Informationen stammen aus Mobilitätsbefragungen, wissenschaftlichen Studien und von Partnern in den Kommunen. Fahrpläne des Nahverkehrs sind ebenso interessant wie Straßenkarten, Daten zur Bevölkerungsdichte und zur Lage von Einkaufszentren. „Immer mehr Städte erwarten zurecht, dass Mobilitätsanbieter alle Anforderungen zusammen denken“, sagt Axer.
Ein Ergebnis der Simulation: Kombinierte Angebote für Privatpersonen und Unternehmen könnten Ride-Pooling deutlich effizienter und damit nachhaltiger machen. „Nach dem Berufsverkehr sinkt die Auslastung der Fahrzeuge kräftig. Das lässt sich durch Gewerbekunden teilweise ausgleichen“, sagt Florian Kranke, Experte für Verkehrsoptimierung. Er denkt beispielsweise an Fahrten im Geschäftskundensegment wie Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel. Auch ausgewählte Warentransporte seien vorstellbar, um Leerfahrten zu vermeiden. „Es spricht doch nichts dagegen, dass die Autos in ruhigen Phasen Wäsche zwischen Hotels und Reinigungen transportieren“, sagt Kranke.
„Unsere Modelle machen Nachhaltigkeit messbar. Sie zeigen, welche Veränderungen den größten Fortschritt bringen. Damit tragen wir dazu bei, den Wandel zu beschleunigen.“
Auf dem Bildschirm sind die Wirkungen dieser Idee sichtbar: Die Zahl der Punkte nimmt ab. CO2-Emissionen und Flächenbedarf verändern sich. Es ist genau diese Transparenz, die das Team aus dem Konzernbereich Nachhaltigkeit fördern will. Die Computer-Simulationen erlauben es, Vor- und Nachteile verschiedener Mobilitätslösungen visuell und quantitativ zu erfassen. Das gilt beispielsweise für das Staugeschehen und die Verteilung von Flottenfahrzeugen. Im Volkswagen Konzern werden die Simulationen beispielsweise vom Ride-Pooling-Anbieter MOIA und dem Bereich Group Innovation genutzt.
„Unsere Modelle machen Nachhaltigkeit messbar. Sie zeigen, welche Veränderungen den größten Fortschritt bringen. Damit tragen wir dazu bei, den Wandel zu beschleunigen“, sagt Holger Poppe. Nachhaltige Mobilität bedeutet für Volkswagen nicht nur, umweltfreundliche Fahrzeuge zu produzieren. Das Unternehmen will alle wesentlichen Ansprüche an ein städtisches Mobilitätssystem verstehen, um zielgenaue und tragfähige Lösungsansätze zu entwickeln.
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