Wir beginnen das Interview in einem schwarzen ID.3* von WeShare. Die Volkswagen Tochter bietet in Berlin seit 2019 vollelektrisches Carsharing an.
Prof. Andreas Knie gehört zu Deutschlands profiliertesten Verkehrsexperten. Wir treffen ihn in Berlin, wo er seit 1988 am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätig ist. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Potsdamer Platz. Im Gespräch fordert er: Der Autoverkehr muss in den Großstädten zurückstecken – damit Fußgänger und Radfahrer mehr Platz bekommen.
„Parkende Autos sind eine gigantische Platzverschwendung! In Zukunft können wir uns das noch weniger leisten, weil unsere Städte widerstandsfähiger werden müssen gegen die Folgen des Klimawandels.“
Wie sieht für Sie die perfekte urbane Mobilität in Zukunft aus?
Zumindest ganz anders als hier (zeigt auf den Straßenrand). Ich denke, dass parkende Autos mit dem autonomen Fahren aus den Städten verschwinden werden. Fahrzeuge werden nur noch halten, um Menschen ein- oder aussteigen zu lassen. Ich spreche über Robo-Shuttles, die wir mit dem Smartphone rufen, wenn wir das Haus verlassen. Sie bringen uns, wohin wir wollen – allein oder gemeinsam mit anderen. Da uns der Service immer zur Verfügung steht, müssen wir keine Autos mehr kaufen und am Straßenrand auf uns warten lassen. So wird wertvoller Platz frei für andere Verkehrsmittel.
Ist Autobesitz aus Ihrer Sicht damit ein Auslaufmodell?
Ja – zumindest im urbanen Raum. Man muss sich klarmachen, dass wir von einer ungeheuren Dominanz des Pkw kommen. In Berlin steht das Auto heute für mehr als 40 Prozent der Verkehrsleistung und beansprucht 80 Prozent der Fläche. Den Rest teilen sich Bus, Bahn, Fahrrad und, nicht zu unterschätzen, die Fußgänger. Wir brauchen eine gleichmäßigere Verteilung zwischen den Verkehrsmitteln.
Warum?
Parkende Autos sind eine gigantische Platzverschwendung! In Zukunft können wir uns das noch weniger leisten, weil unsere Städte widerstandsfähiger werden müssen gegen die Folgen des Klimawandels. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir nicht mehr so viel Fläche zubetonieren dürfen.
Inzwischen sind wir am Potsdamer Platz angekommen. Die letzten Antworten gibt Andreas Knie im Hauptstadt-Verkehr.
Mit WeShare durch Berlin – Verkehrsforscher Prof. Andreas Knie.
„Brauche ich ein Auto, dann buche ich eins beim Carsharing. Das Interessante: Oft tue ich das nur, weil ich im Auto am besten kommunizieren kann.“
Autohersteller wie Volkswagen denken längst um und bieten flexible Nutzungsmöglichkeiten – kurzfristige Abos, Carsharing wie etwa von WeShare oder Ridepooling wie bei MOIA …
Das zeigt, dass in den Konzernzentralen intelligente Leute arbeiten. Die sehen: 48 Millionen Pkw in Deutschland sind einfach zu viel. Deshalb schauen sie über den Tellerrand und fragen: Was können wir tun, wenn die Menschen nicht mehr so viele Autos haben wollen? Das ist gut und zeugt von Reflexion. Trotzdem rechne ich nicht damit, dass große Autohersteller Mobilitätsdienste zum Kerngeschäft machen. Sie werden die Fahrzeugproduktion weiter in den Mittelpunkt stellen.
Was erwarten Sie von den Unternehmen?
Sie müssen sich klarmachen: Selbstfahrende Autos werden in der Stadt zum öffentlichen Verkehrsmittel. Die wichtigsten Kunden sind künftig Kommunen und Verkehrsverbünde, die Robo-Shuttles für ihr Gebiet kaufen. Mit diesen Partnern sollten die Autohersteller Allianzen schließen, damit sich kleine Gefäße – selbstfahrende Autos – und große Gefäße – Busse und Bahnen – gut ergänzen.
Wie wollen Sie das organisieren?
Alle Verkehrsmittel müssen in eine App! Ähnlich wie beim Mobilfunk kann ich mir dann einen Lieblingsanbieter suchen, über den ich alles buche. Egal ob ich den Bus, ein Auto oder ein Fahrrad brauche. Auch die Rechnung bekomme ich von meinem Lieblingsanbieter. Einmal pro Monat. Für meine gesamte Mobilität.
Sie setzen auf starke öffentliche Verkehrsmittel: Wie würden Sie Bus und Bahn aus der Corona-Krise holen?
Dazu müssen die öffentlichen Verkehrsunternehmen flexibler werden. Während der Pandemie haben wir alle unser Leben umgestellt. Viele fahren nur noch zwei- bis dreimal pro Woche ins Büro. Das Arbeiten entkoppelt sich von Zeit und Raum – doch die Preise für S- und U-Bahnen sind starr wie vor Corona. Das muss sich ändern.
Was schlagen Sie vor?
Eine Möglichkeit sind digitale Pay-as-you-go-Modelle. Das bedeutet: Ich muss nicht im Voraus eine Monatskarte kaufen, sondern checke mich bei meinen Fahrten mit dem Handy ein und aus, wie etwa bei den e-Scooter-Anbietern oder hier bei WeShare. Abgerechnet wird die tatsächliche Nutzung. So kann ich sicher sein, dass ich im Nachhinein immer den besten Preis bekomme.
Welches Verkehrsmittel nutzen Sie selbst am liebsten?
Am liebsten die Füße … aber da ist Reichweite natürlich beliebig kurz (lacht). Für längere Strecken nehme ich gern das Fahrrad oder E-Bike. Brauche ich ein Auto, dann buche ich eins beim Carsharing. Das Interessante: Oft tue ich das nur, weil ich im Auto am besten kommunizieren kann. Ich bin viel in der Stadt unterwegs. Wenn ich dann sehe: Gleich habe ich eine Konferenz und schaffe es nicht mehr ins Büro, dann miete ich eben ein Auto. Manchmal fahre ich nicht einmal, sondern nutze nur den ungestörten Meeting-Raum.
Zur Person:
Verkehrsexperte Andreas Knie (60) ist außerordentlicher Professor für Soziologie an der Technischen Universität Berlin und war Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. Seit 1988 forscht Knie am Wissenschaftszentrum Berlin, wo er die Projektgruppe Mobilität aufgebaut hat. Heute gehört er zur Leitung der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftlicher Wandel. Zwischen 2001 und 2016 war er Bereichsleiter für Intermodale Angebote bei der Deutschen Bahn.
Verbrauchskennzeichnung
* ID.3 Pure Performance: Energy consumption in kWh/100 km: combined 13.8–13.1; CO2 emissions in g/km: combined 0; efficiency rating: A+++